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Reisebericht 13.-15.10.2006


Alexander, Josef von Elverfeldt.


Auf den Spuren von Alexander Ludwig von Elverfeldt. (AL)

in Frankreich im August/September 1914



Im Nachlaß unseres Großvaters, Urgroßvaters und Ururgroßvaters Alexander Ludwig Freiherr von Elverfeldt ( im Folgenden mit AL abgekürzt) befindet sich sein Tagebuchbericht über den Einmarsch nach Frankreich im August/September 1914. Dazu gibt es in seinen Alben zahlreiche Fotos. Diese Unterlagen hatten mich schon öfter gefesselt und so machte ich mich daran sie aufzuarbeiten. Daraus wurde eine bebilderte Schrift, in der das Tagebuch mit dazugehörigen Bildern angereichert wurde. Dabei kam mir die Idee, die Wege Alexander Ludwigs während einer Wochenendreise nachzufahren. Mit Hilfe des Internets beschaffte ich mir detaillierte Karten und suchte geeignete Hotels heraus.

Am 13. Oktober 2006 trafen sich am Abend in Esch-sur-Alzette im Süden von Luxemburg Alex, Dominik, Mathias, Hannes, Franziskus, Christoph und Valentin von Elverfeldt im Hotel Acacia. In Esch hatte AL am 20. August 1914 nach der Bahnfahrt seiner Einheit, des 6. Reservekorps aus Schlesien, bei einem Bäckermeister in Quartier gelegen.

Wir marschierten am 20. August nach Esch, zweitgrößte Stadt in Luxemburg. Lag bei einem Bäckermeister im Quartier. War gut aufgehoben. Aßen im Hotel sehr gut.

Das war auch bei uns der Fall. Nach einem Apèritif setzten wir uns an einen elegant für mehrere Gänge eindeckten Tisch und aßen sehr gepflegt zu Abend. Sprachprobleme gab es keine, denn die ältere Dame am Empfang und das Personal sprachen fließend Deutsch.

Beim Frühstück am nächsten Morgen informierten wir uns an Hand des Tagebuches über die Ereignisse in den französischen Dörfern südlich Esch am 21. und 22. August 1914.

Wo müssen wir hin?

Alex navigiert.


Wir sollten am 21. Ruhetag haben, ich ließ daher meinen Gummicape zu einem Mantel umändern und Wäsche waschen. Wir wurden aber um 4 Uhr früh alarmiert und ritten nach Tiercelet. Ich traf hier auf der Hauptstrasse den Kommandierenden General, der mich mit zwei Stabsor­donnanzen abends 10 Uhr nach Villert la Montagne schickte, um die 23. Infanteriebrigade, welche auf Longwy angesetzt war, zurückzuholen. In Villert La Montagne sah man Longwy in tiefer Glut brennen, welches seit 6 Uhr beschossen wurde.

Traf dann die 23. Inf. Brig. schon auf dem Rückmarsch und ritt 1 Uhr nachts nach Tiercelet zurück. 22. August Starker Infanteriekampf bei Cherniéres und Laix. (12.Division. Ich traf das Gen. Com. Auf dem Wege Villers-Cherniéres und bekam den Auftrag Verbindung zwischen 5. Reservecorps und 16. Corps herzustellen. Fuhr per Auto von Villers la Montagne auf der Chaussee nach Metz und traf bei Aumetz das Generalkommando des 5. Reservecorps, dem ich mitteilte, daß unser Corps bei Cherniéres und Laix im Kampf und der mir sagte, daß er erst in 3 Stunden in Ville au Montois eintreffen könne, um dann in Richtung auf Baslieux im Kampfe einzugreifen. Fuhr dann zum 16. Corps . Nahm an, daß Gen. Com. Auf dem Schlachtfelde sein würde und fuhr nach Serronville, wo 16. Corps kämpfte. Suchte dort zu Fuß das GenCom. Wurde oft falsch beschieden und kam in die vorderste Schützenlinie. Sah hier die ersten Verwundeten und gefangenen Franzosen. Fuhr dann zurück und fand Gen.Com in Havingen, wo ich die Lage unseres Corps mitteilte. Fuhr nun zu meinem 6. Res. Corps zurück und kam per Auto bis kurz vor Cherniéres, da die Franzosen zurück gegangen waren. Mußte hier aussteigen und zu Fuß Gen. Com. suchen. Der Anblick von Cherniéres entsetzlich. Alles in Brand, auf der Weide 10 tote Kühe, an der Mauer und im Feld Leichen von Franktireurs ( Bewaffnete französische Zivilisten). Dicht am Dorf vorbei kam ein großer Trupp verwundeter Deutscher, darunter ein Offizier. Großer Radau von Kanonen und Gewehrschüssen. Die Verluste unseres Corps sind sehr groß. Am 23. weiteres Vorgehen gegen Longuion und Beuville.


Wir verließen unser Hotel. Hannes ließ sein Auto in der Parkgarage in Esch stehen und stieg zu Dominik, Mathias und mir in Dominiks Ford mit ein. Mathias und ich waren bis Mannheim mit der Bahn angereist und Dominik hatte uns dort aufgenommen. Nun ging es auf ein Stück Autobahn bis zur Abfahrt nach Villert-la Montagne, von wo aus AL Longwy brennen sah. Am Ortsausgang suchten wir auf der Karte nach der Stelle, von der aus AL Longwy hatte sehen können






Auf dem Weg zum Schlachtfeld




Blick aufs Schlachtfeld von Villert-la-Montagne


Dann fuhren wir weiter über Cherniéres nach Longuyon, das in einem engen Flußtal liegt.

Ich fuhr um 11 Uhr nach Longuion, mußte an vielen Kolonnen vorbei, was sehr schwierig war und mußte vor Longuion aussteigen, da in dem Serpentinenweg nach Longuion herunter alles festgefahren war durch 11. Res. Div. und 13. Corps. Traf General Suren an der Brücke unten in Longuion und übergab ihm den Corpsbefehl. Ging dann mit einem Artillerieoffizier, den ich unterwegs mitgenommen hatte, zum Auto zurück und kam mit Mühe gegen 2 Uhr nachts zum Gen. Com. ins Biwak zurück. Legte mich neben Scheliha in eine Strohpuppe und schlief. Fror ziemlich dabei. Um 6 Uhr brachte ich Karten und französische Diktionärs nebst Befehl wieder nach Longuion . Kam diesmal ziemlich schnell hin als in Longuion die Brücke und die Stadt unter furchtbares Schrapnellfeuer genommen wurde. Artillerie fuhr im Galopp zurück. Ebenso die Infanterie. Ich traf zum Glück den Adjutanten der Division und übergab ihm die Karten, Bücher und den Befehl.

In Longuion entdeckten wir ein Hinweisschild zu einer Befestigungsanlage der Maginotlinie, welche die Franzosen vor dem zweiten Weltkrieg errichtet hatten. Wir beschlossen diese zu besuchen und dann direkt über Murveaux nach Dun-sur Meuse zu fahren, wo AL die Maas auf einer Pontonbrücke überquert hatte. Die übrigen Orte, die AL in seinem Tagebuch des Vormarsches bis Dun-sur-Meuse beschreibt, beschlossen wir auf der Rückfahrt aufzusuchen, da wir auch Verdun besuchen wollten. Also begaben wir uns erst einmal in den falschen Krieg. Es handelte sich um zwei unterirdisch verbundene Betonbunker.


Auf dem Weg zum Maginotfort


Maginotfort


Vor diesem Bunker stand ein Gedenkstein für einen französischen Soldaten, der beim Beschuß des Bunkers durch einen deutschen Panzer (Loch über dem Eingang) ums Leben kam. Der deutsche Panzer wurde vom Geschütz des Bunkers abgeschossen. Vor dem zweiten Bunker, den man besichtigen konnte, wovon wir aber aus Zeitgründen Abstand nahmen, war ein deutsches 8,8 cm Flakgeschütz ausgestellt. Diese Kanone war nicht nur zur Fliegerabwehr geeignet, sondern auch im Erdkampf gegen Panzer vom Gegner gefürchtet.


8.8 cm Deutsches Flakgeschütz


Die Strecke von Longuyon über Murveaux nach Dun-sur- Meuse war landschaftlich besonders reizvoll. Weitgestreckte Äcker wechselten sich ab mit Weiden voller weißer Charollaisrinder und von Laubwald bedeckten Hügeln. Die Buchenbestände mit einzelnen Eichen waren für mein forstliches Auge von schlechter Qualität.

Unter den Elverfeldts im Auto bestand ohne Unterlaß eine fröhlich-freche humorvolle Stimmung. Hannes und Mathias frotzelten Dominik indem sie seine Navigations- und Fahrkünste bekrittelten. Ich kam aus dem Schmunzeln und Lachen nicht heraus. Hannes, den ich ja lange nicht gesehen hatte, erinnerte mich im Aussehen wie im Humor sehr an meinen Onkel Walter Ostman.

Nachdem wir in Dun um die Mittagszeit die Maasbrücke überquert hatten hielten wir vor einer kleinen Gaststätte zur Mittagspause an.


Früh um 9 Uhr wurde bei Dun eine Pontonbrücke geschlagen und die 12. Division ging hier über die Maas.

Fortwährend schlugen in Dun Granaten ein. Eine tötete beim Einschlag in die Apotheke den Ordonnanzoffizier der 12. Division. Eine andere schlug dicht an der Pferdestaffel ein. Das Gen. Com richtete sich am Bahnhof ein, wo in nicht allzugroßer Entfernung viele Granaten und Schrapnells einschlugen. Der Feind ging auf Cunel zurück. Wir blieben über Nacht in Dun. Ich lag in einem netten kleinen Haus an der Maas, das von seinen Einwohnern in aller Eile verlassen worden war. Ich ließ die Hühner und Kaninchen aus ihren Ställen, damit sie sich selber Nahrung besorgen konnten. Ich hatte Nachtdienst. Am 2. September um 5 Uhr ritten wir nach der Höhe bei Cunel, wo die 11. Division im Kampf stand, die 12. bei Romagne. Sehr schwere Schlacht. Feindliche Stellung bei Montfaucon (d'Argonne). Feind wurde zurückgeworfen.

Ritt durch den Wald nach Bantheville, wo der Stab war. Das feindliche Feuer wurde Abends noch stärker so kam unser Corps in eine kritische Lage, die erst beim Eintreffen des 13. Corps gebessert wurde. Sehr starke Verluste . 1500 Mann. Montfaucon wurde von Mörsern in ineinander geschossen. Schlief trotz Kanonendonner und Aufregungen glänzend. Der Feind war am nächsten Morgen abgezogen, wir rückten weiter vor und kamen Abends in Romagne ins Quartier.


Die Maas oder Meuse.


Eine nette junge Wirtin und ihr jugendlicher Sohn servierten uns köstliche Omeletts. Dann rollten wir weiter über Aincreville und Bantheville nach Romagne-sur-Montfaucon. Am Ortseingang liegt ein sehr schöner deutscher Soldatenfriedhof. Wir bogen in eine Seitenstraße ein, um zum Eingang zu gelangen. Still schritten wir die Reihen der Kreuze ab und gedachten der Toten.


Deutscher Soldatenfriedhof Weltkrieg I in Romagne


Romagne ist ein kleiner Ort, sicher nicht größer als Canstein. Mit den zwei Photos von AL in der Hand sahen wir uns um. Ein Gebäude an der Hauptstraße, neben dem sich eine Art kleiner, von Bäumen umstandener Marktplatz befand, stellte sich nach eingehender Besichtigung als das auf der Postkarte von 1914 zu sehende Haus heraus, vor dem die Einwohner von Romagne sich aufgebaut haben. Heute beherbergt es einen Antiquitätenladen.




Nun galt es, die Villa zu finden, vor der AL mit dem Stabe auf dem Photo von 1914 abgebildet ist. Wir suchten eine Seitenstraße ab, an der sich die Kirche des Ortes befand. Dort überkam einige von uns ein menschliches Rühren.

               


Ein Gebäude beherbergte eine private Sammlung von Überbleibseln des ersten Weltkrieges. Leider war sie geschlossen. Ich klingelte an einer Tür in diesem Haus. Eine freundliche junge Französin öffnete mir. Sie hatte nichts mit dem Museum zu tun, Aber gab mir die Anschrift des Besitzers. Ich zeigte ihr das Photo von der Villa. Sie erkannte das Haus sofort und zeigte uns den Weg dahin. Das Gebäude liegt als letztes an der Straße von Romagne nach Montfaucon. Wir marschierten die Dorfstraße hinunter und fanden es sogleich.



Der Stab der Familie von Elverfeldt in Romagne 2006


Hier hat unser Ahne den größten Teil der Jahre des 1. Weltkrieges verbracht. Hier residierte, nachdem der Vormarsch durch die Marneschlacht zum Stehen kam, der Armeestab des Kronprinzen, in dem AL als Kriegstagebuchschreiber arbeitete.

Nach einem Blick auf die Uhr beschlossen wir von Romagne aus direkt wieder an die Maas und von dort nach Süden zum Schlachtfeld von Verdun zu fahren. Den südlichsten Punkt des Vormarsches, an dem AL teilnahm, das Schloß Aubréville westlich von Verdun ließen wir aus Zeitgründen außer Acht. Die Straße von Romagne östlich an die Maas führt mitten durch einen riesigen Amerikanischen Soldatenfriedhof des 1. Weltkrieges, den wir eingehend besichtigten.



Unsere Autos vor dem US Friedhof Romagne.


Über Cunel ( siehe Text AL oben) fuhren wir an die Maas zurück und von dort nach Süden gen Verdun. Die malerischen Ortschaften Vilosnes, Dannevoux, Gercourt, Consenvoye wurden 1914 alle vom Ordonnanzoffizier AL aufgesucht.


Hier sollte ich dann noch mit dem Auto nach Dannevoux fahren, um einen Befehl wegen Unterkunft zu überbringen und Frühstück mitzubringen. Bekam nur Brot und Speck. Auf dem Rückwege hinter Gercourt ging das Auto entzwei ich mußte zu Fuß weitergehen. Ich traf dann später auf den Stab und fuhr danach mit dem Auto nach Gercourt zurück. Von da ritt ich mit meinen Pferden nach Dannevoux. Ich lag hier mit meinen Pferden in einem halb zerschossenen Haus Dannevoux war sehr zerschossen und verbrannt mit Eichels in einem Zimmer, in dem es durchregnete.. Wir aßen im Hause des Gen. Com. am Ostausgang von Dannevoux in zwei Abteilungen, da die Zimmer dort sehr klein waren. Auf den Straßen ein unglaublicher Schmutz.

Im Walde lagen noch die gefallenen Franzosen seit 14 Tagen unbeerdigt. Schrecklicher Gestank. Unserer Toten waren schon beerdigt , überall Gräber.

Eins sehr schön bei Dannevoux in den Fichten. Ich ritt nach Moulin le Bethane, Consenvoye und Gercourt um die Pioniere zu finden, die die Cabel nach Verdun suchen sollten.


Noch vor der Stadteinfahrt nach Verdun führte uns ein Schild „Champs de Bataille de Verdun“ nach Osten. Wir folgten einer Straße durch den Wald und erreichten die erste Gedenkstätte, ein mit Betonstelen überbautes langes Grab mit Kreuzen für unbekannte französische Gefallene als stilisierter Schützengraben.



Im weiteren Verlauf der Straße erhob sich auf einer Anhöhe oberhalb eines riesigen Soldatenfriedhofs das langgestreckten Beinhaus, in dem tausende Soldaten beigesetzt sind. Schweigend schritten wir im Gedenken an diese jungen Menschen, die ihr Leben nicht leben durften, an den Steinplatten mit den Namen entlang.


Als nächstes folgten wir dem Hinweisschild zum Fort Douaumont. Es wurde zu Beginn des Krieges von den Deutschen erobert und war bis 1916 zusammen mit der übrigen Festung Verdun hart umkämpft. Wenn man obenauf steht, beeindrucken die noch immer erhaltenen stählernen Geschütztürme, die von Granateinschlägen zernarbt sind ebenso wie der sie umgebende Beton. Vor dem Fort breitet sich gnädig ein niedriger Buschwald über viele Kilometer ins Land. Sein Boden ist von Granattrichtern dicht an dicht überzogen ohne jede Lücke. Er birgt noch immer Tote, Granatsplitter und Blindgänger, ja es ist totes Gelände, das gefährlich und unbrauchbar geworden ist.



Granatenzerfurchtes Gelände um Verdun

Geschützturm auf Fort Douaumont

Eingang zum Fort Douaumont


Nach der eingehenden Besichtigung von Douaumont begannen wir die Suche nach dem Champs de Bataille, dem Schlachtfeld. Die Schilder, die dieses anzeigten führten uns jedoch im Kreise herum. Ich vermute, daß mit dem Schild der Gesamtkomplex der Monumente gemeint war. Wir folgten daher einem Hinweis zum zerstörten Dorfe Douaumont. Dort fanden wir eine im Aufbau befindliche Gedenkstätte vor, welche den Grundriß des Ortes aus dem aufstehenden Wald herausgearbeitet hat.

Es wurde Zeit die Rückfahrt nach Norden zu unserem Hotel in Inor an der Maas nördlich von Stenay anzutreten. Wieder war die Landschaft des Tales der Maas ein erfreulicher Anblick, der nach den traurig-nachdenklichen Stunden in Verdun unsere Stimmung hob. Die Auberge „ Au Faisan Dorè“, zum Goldfasan, lag abseits der Durchgangssstraße in der Nähe des Flusses. Ein gemütlich wirkendes, ältliches Fachwerkgebäude. Die Wirtsleute waren typische Franzosen. Der Wirt ein stattlicher schnurrbärtiger Koch, der mit ernster Miene dem Betreib vorzustehen schien. Die Hausfrau eine bewegliche kleine runde Madam, die einige kindliche Bedienstete in Trab hielt und die Buchführung besorgte. Vor dem sorgfältig ausgesuchten Abendiner saßen wir an der Bar und klönten.


Die Gastzimmer waren überall mit Jagdtrophäen dekoriert. Hirschköpfe und Rehböcke blickten starr geradeaus.

Die Tische im Restaurant waren hübsch eingedeckt. Das Essen entsprach französischen Ansprüchen an eine gute Küche. Dominik und Mathias waren mit ihrer Schneckenvorspeise außerordentlich zufrieden. Mein Lammrippcheneintopf erschien mir anfangs zu reichlich, er schmeckte aber so gut, daß ich ihn ganz vertilgte.

Die Schlafzimmer waren durch den nachträglichen Einbau von Klo und Dusche sehr eng. An meinem französischen Doppelbett konnte ich weder links noch rechts ohne Verrenkungen vorbei. Vor allem beim nächtlichen Weg aufs Klo war Akrobatik vonnöten. Es bot sich als Ausgleich dazu ein riesiger Balkon, auf dem ich den Abendhimmel und den Sonnenaufgang bewundert habe.

Ich erwachte recht früh, zog mich an und wanderte im Sonnenaufgang an die Maas, die hier einen Seitenkanal mit Schleuse besaß. Im Anblick der immer heller werdenden Konturen der Landschaft gedachte ich meines Großvaters, der hier vier Jahre Weltkrieg verbrachte und an Helga, mit der ich mehrfach Frankreich bereiste und die dieses Land lieben lernte.

Am Vorabend dieses Sonntags hatten wir uns bei unserer Wirtin nach einer Möglichkeit zum Besuch der Messe erkundigt. Sie wußte es nicht und suchte vergeblich in Zeitungen danach. Das war ihr wohl peinlich, denn sie kam nicht wieder darauf zu sprechen. Eine ihre Angestellten jedoch wußte sofort Bescheid. Sie sagte uns, daß in der Kirche der benachbarten Stadt Stenay um 10.15 Uhr Messe gelesen werde.

Da wir unser Frühstück, bei dem uns köstliche hausgemachte Marmelade serviert wurde, rechtzeitig beendet hatten konnten wir auschecken. Unserer Wirtin hatte mit der Hand sorgfältig für jeden eine separate Rechnung erstellt, die wir sogar mit Kreditkarte begleichen konnten.

Auf der Fahrt nach Stenay kamen wir nach dem Ortsschild an zwei Kirchen vorbei. Es war bereits 10 Uhr aber es standen dort keine geparkten Autos und niemand strömte hinzu. Als wir den Ort verlassen hatten, entdeckte Hannes den Kirchturm der Hauptkirche westlich der Durchgangsstraße. Wir drehten um und fuhren in den Ort hinein. Die Messe hatte schon begonnen, Der Pfarrer las gerade das Evangelium vor. Bei den Kirchenbesuchern handelte es sich in der Mehrzahl um ältere Frauen und wenige Männer. Auch die Jugend war schwach vertreten. Ein Meßdiener amüsierte uns. Er saß auf seinem Stuhl, wippte nervös mit den Beinen und schnitt Grimassen. Während der Wandlung und Kommunion dachte ich an die vielen jungen Soldaten aus alle Nationen auf den Friedhöfen ringsum.

Wir fuhren nach Süden zurück nach Dun. Dort liefen wir zu Fuß über die Maasbrücke im Andenken an die Flußüberquerung von AL. Eine Metzgerei war auch am Sonntag geöffnet und bot zahlreiche Spezialitäten an. Ich kaufte für die Meinen eine Nuß- und eine Entensalami.

Maasbrücke in Dun.


Wir beschlossen unsere Rückfahrt nach Esch-sur-Alzette über die Dörfer zu nehmen. Wir hatten ja aus Zeitgründen bei der Hinfahrt die schnellere Strecke über Longuyon Murveaux gewählt. Nun fuhren wir also entgegengesetzt durch die Dörfer, die AL beim Vormarsch aufgesucht und beschreiben hatte. Wir durchfuhren Murveaux, das wir ja schon von der Hinfahrt kannten und bogen dort nach Brandeville und Bréhéville ab. Südlich von Bréhéville liegt Haraumont an einer Stichstraße. Aus Zeitgründen hatte ich beschlossen, dort nicht hinzufahren. Aber AL wollte es wohl anders. In Bréhéville verpaßten wir die Straße nach Damvillers und fuhren auf einer malerischen schmalen Waldstraße in Richtung Haraumont.


Wir gingen dann bis Haraumont vor, welches unter dem Feuer schwerer Geschütze lag. Abends nach der Ferme Alger, einer großen Scheune, in der wir alle nebeneinander auf Stroh schliefen. Sie war sehr schwer zu finden. Ich ritt in der Nacht über Haraumont zur 12. Div. welche im Walde nach Brandeville lag. Die Pferde blieben die ganze Nacht gesattelt. Ich hatte keinen Burschen und so versorgte ein Gendarm mein Pferd. Traf auf der Straße Hans H. Strachwitz, der Bagage führte. Wir wollten bei Vilosnes über die Maas, das ging nicht wegen starkem Artilleriefeuer, besonders auf Haraumont. Eine Granate fuhr direkt in den dortigen Fernsprecher. Starker Artilleriekampf. Ich ritt meinen Burschenschimmel, da mein Rappe zu müde war.

In der Nacht wieder nach Alger Ferme, da Wasser sehr knapp, zum Waschen gab es keines. Wir ritten am 31. August von Alger Ferme nach Murvaux um bei Dun über die Maas zu gehen. Das war aber wegen starkem Artilleriefeuer nicht möglich.

Haraumont bietet einen guten Überblick über das Maastal. Kein Wunder, daß es umkämpft war. Alger Ferme zu suchen, das ja nach AL schwer zu finden war, fehlte uns die Zeit. Wir fuhren daher direkt östlich auf der Straße nach Ecurey-en Verdunois, um nach Damvillers und Vittarville zu gelangen. Einige Kilometer von Haraumont entfernt rief Hannes plötzlich „Alger ferme“. Er hatte ein winziges Hinweisschild am Straßenrand entdeckt. Wir wendeten und fuhren auf einem holprigen und schmalen Feldweg in einen Talgrund, in dem der Gutshof Alger Ferme lag.


Alger Ferme


Bei Beuville kämpfte die 12. Division. Gegen 2 Uhr schlugen in das Dorf und auch in der Nähe wo wir stranden feindliche Schrapnells ein und die Bagage fing an in wilder Flucht auszureißen. Das Gen.Com. ritt auf die nächste Höhe zurück und ich bekam den Befehl nach Beuville zu reiten, um den Stand des Gefechts festzustellen. Das Artilleriefeuer dort ließ bald nach und ich sah unsere Schützenlinie gegen Arrancy vorgehen, das bald in unseren Händen sein mußte. Als ich zurückritt traf ich schon Gen. Com. im Vorreiten, meldete es und wir ritten zum Stabe der 12. Res. Div. vom Westen aus gegen Beuveille , von wo man das Schlachtfeld gut übersehen konnte.

Es gab dort herrliches Wasser. Hat mir noch nie so gut geschmeckt wie dort. Um 5 Uhr wurde Arrancy unter großen Verlusten von uns erobert und wir ritten dorthin, wo die Truppen mit Hurrah den Com. Gen. begrüßten. Wir ritten dann nach Beuveille zurück, wo wir die Nacht verblieben. Um 4 Uhr Aufbruch auf die Höhe bei Arrancy (24. Aug..) und Angriff auf die Waldungen westlich von Arrancy. Enormes Infanteriefeuer, wie es stärker nicht auszudenken. Franzosen wurden aber geworfen. Gegen 9 Uhr französische Flieger über uns. Eine halbe Stunden später wurden wir von schweren Granaten beschossen und machten so die ersten Erfahrungen mit den Dingern. Man hört sie schon von weitem heranbrausen, fühlt den Luftdruck und meint das Biest käme direkt auf einen zu. Man möchte sich ordentlich mich den Händen dagegen wehren. Man atmet erst auf, wenn die Granate vor oder hinter einem platzt und eine riesige Rauch- und Erdwolke entwickelt. Vor dem Scherenfernrohr, wo Tieschowitz stand , schlug eine auf 20 Schritt ein. Wir gingen daraufhin etwas zurück und wechselten später immer die Stellung, wenn ein Flieger uns gesichtet hatte, da dieser den Standort meldet. Auch stellten wir die Pferde und uns selber möglichst unter Bäumen auf, damit er uns nicht sehen konnte.

Nachts waren wir wieder in Beuveille. Die Verluste unseres Corps in diesen Tagen betrugen 180 Offiziere, 5200 Mann. Wir sahen bei Arrancy auch viele tote Franzosen, die in allen möglichen Stellungen herumlagen, zum Teil durch Granaten zerissen. Vorne aber auch viele Toten von uns, die bei dem Sturm auf Arrancy gefallen waren und deren Lage durch aufrechtstehende Gewehre angezeigt war. Abends gingen wir wieder nach Beuveille zurück. Ich sollte in der Nacht Befehl an die 12. Div. Nach Arrancy bringen. Mir war gesagt, daß diese am Ferme de la Fontaine stünde, war aber nicht dort, ich fuhr nach Pillon, dann schließlich nach Sorbey und fand sie dort nach langem Suchen schließlich östlich Sorbey auf der Landstraße. Am 28ten ritten wir um 4 Uhr nach Vitarville. Hier wurde mein Fuchs Morenga in der engen Dorfstrasse von einem Geschütz so schwer an der Fessel verletzt, daß er nur noch Schritt gehen konnte.


Über Pillon und an Sorbey vorbei fuhren wir durch das damals hart umkämpfte Arrancy- sur- Crusne in Richtung Beuveille.

Wir wollten dort in einer Imbißstube Mittagspause machen und das von AL so hochgerühmte Wasser kosten.


Es schmeckte wie sehr hartes Wasser versetzt mit Chlor. Der wohl algerische Besitzer der Imbißstube hatte noch nie davon gehört, daß dieses Wasser etwas Besonderes sei und amüsierte sich über unsere Wasserbegeisterung. Wir aßen Hamburger und Hannes bekam ein Käsebaguette, aus dem er eine Zahnstange formte.



Nachdem wir unseren Durst mit des Ahnen hochgerühmten Wasser gestillt hatten und ihn dabei hochleben ließen, trennten sich die Wege unserer beiden Autos. Franzi, der leider wegen der am Montag fälligen Arbeit von Dominik, Mathias und Hannes allein mit Christoph und Valentin zum Nürburgring fahren mußte, verabschiedete sich von uns, um mit Porschetempo in Richtung Eifel zu fahren. Wir Übrigen erreichten Esch-sur-Alzette bald darauf und Hannes stieg dort wieder in seinen Wagen Richtung Düsseldorf. Dominik setzte Mathias und mich am Bahnhof Mannheim ab. Dort erwischte ich dank meines erfahrenen Sohnes Mathias, der mir am Automaten eine Fahrkarte besorgte mit ihm gemeinsam den ICE nach Frankfurt und Kassel, der voll besetzt war. Wir waren uns alle einig, daß wir unserem Ahnen AL eine harmonische und erinnernswerte Reise verdanken.

Korrigiert mit Hilfe von: Dr. Dominik v. Elverfeldt

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